Abreschviller - Benney

Es waren wahrscheinlich doch nur die Tannenzweige der Tanne unter der wir standen. Beim Aufwachen dieses herrliche Licht von Sonne durch Tannenzweige. Der Düdo wieder vor dunkelgrün. Peppi legt sich beim Frühstück auf den Rücken auf den Boden, schaut in den Himmel. Leicht streitlustige Stimmung unter den Geschwistern, Toni nimmt Peppi die kleine gelbe geblümte Decke weg. Plötzlich macht es BSSS, und Peppi weint ganz laut auf, sie liegt auf dem Rücken, wir kapieren: Sie ist gegen den Elektrozaun gelaufen, der die Forellenfarm umgibt.

Ich gehe mit beiden im Bollerwagen zum See, um kurz nach elf, damit Volker arbeiten kann. Angler kommen uns entgegen. Sie wollen ihre Angel in den Teich hängen, in dem der Forellen-Mensch die Forellen hält. Kurios.

Der See liegt in gleißender Septembersonne. Wir sind die einzigen Menschen. Der See ist eingezäunt, kostet aber keinen Eintritt. Hinter uns auf der Straße fährt ab und zu ein Auto vorbei, Peppi sucht jedes Mal Schutz bei mir, das schreckhafte Küken. Sie stapft aber mutig ins Wasser, Toni hinterher. Ich schaffe es sogar, ihr die Ohren nass zu machen. Wir haben Sandsachen vergessen, macht überhaupt nix, beide buddeln mit bloßen Händchen im nassen Sand am Wassersaum. Die Sonne brennt richtig heiß, die Luft ist aber herbstlich. Wir hören die Kirchturmuhr schlagen. Der Weg zurück an bemoosten Felsen vorbei, Heidekraut, dem Bächlein das zu den Forellen führt, ganz klares Wasser mit grünen Wasserpflänzchen drauf. Toni singt „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“.

Am Düdo ist Volker noch drin am Schreibtisch, hatte gehofft er hätte schon irgendwas abfahrtstechnisches vorbereitet oder Mittagessen gedeckt oder so. Wir sind nämlich später dran als angekündigt. Nicht so schlimm. Wir essen die Reste von gestern und Käse mit Brot. Heute isst Peppi nichts mehr davon, obwohl es ihr gestern total gut geschmeckt hat. Schiebt die Zunge zwischen die Lippen und macht bäh. Ist auch schon müde, ist auch schon spät. Sind wieder später dran. Aber heute war ja auch Räder nachstellen („abknacken“) mit dem Drehmomentschlüssel, der Kauf hat sich schon gelohnt. Verlängerungsstück aus dem Proxon-Werkzeugkoffer auch schon dafür benutzt. Beides also gelohnt. Außerdem Ölstand gemessen, alles okay. Super.

Ich gehe mit Toni Forellen kaufen. Wir warten lange auf den Forellen-Mensch, schauen uns solange das Becken an. Schwarze Leiber schwimmen um und übereinander. Dazwischen ein paar Gelbe. Toni fragt ob die gelben giftig sind. Ich sage, dass ich das nicht glaube. Toni sagt, dass sie dann eine gelbe Forelle essen will. Es kommt ein junger Mitarbeiter. Ich bestelle zwei arc-en-ciel und eine gelbe. Japonais, sagt der Mann und geht mit dem Kescher zum Becken. Er holt unsere Fische raus, zeigt sie uns, fragt ob die Größe stimmt, ob die Gelbe nicht zu klein sei, ich sage, nein, perfekt, damit ist ihr Schicksal besiegelt, er geht um die Ecke und killt sie mit einem Eisenstampfer.

Toni guckt nicht zu, sondern hampelt mal wieder rum. Sie ist heute ständig das Entchen, das nur quakquak sagt. Ich bitte das Entchen, sich kurz in die Toni zu verwandeln, weil ich mich auf den Forellen-Kauf konzentrieren will. Sie sagt okay und ist kurz die Toni. Super. Der Mann nimmt die Fische aus in dem kleinen, aber sehr sauberen gekachelten Kabuff, danach spült er die Arbeitsfläche und auch das Fenster mit so einem elastischen Gummi-Dusch-Strahl ab. Er hat das Fenster abgeduscht, sagt Toni und findet es lustig. Wir kommen sehr stolz mit den drei Fischen in der Tüte beim Düdo an und fahren los, Peppi ist schon so drüber dass sie nur noch weint.

Wieder dieses schöne Frankreich. Diese kleinen Städtchen, Dörfchen, mit den kleinen Häusern mit den südlichen Fensterläden. Den Bar-Tabacs, den geschminkten alten Frauen am Fenster. Die Landschaft wird freier, weniger bewaldet, aber immer noch hügelig. Lieblicher, womöglich. Moselle. Über die fahren wir irgendwann drüber, auf einem schmalen Brücklein, das den Düdo gerade eben erlaubt, unter uns der klare Fluss, der sich zwischen Bäumen und Kiesbänken schlängelt, das Wasser so hell, ich kriege gleich wieder Lust zu baden.

Der Bauernhof ist ganz anders als die Forellen-Farm. Die war so weit unten im kühlen Wald, irgendwie abgelegen und verwunschen. Hier hört man die Autobahn, es ist trotzdem abgelegen und ländlich, aber eher oben, auf einem Hügel, um uns herum weiter Blick. Wir stehen nah am Haus des Bauern. Katharina ist klug und bleibt drin. Hunde, Katzen, Kätzchen, alles schon da. Ihre Wunde ist fast völlig geheilt. Der Bauer ist sehr nett, zeigt Volker und den Kindern den Stall und die Kälbchen, Peppi hat Angst vor den Kälbchen. Sie sagt zum ersten Mal das Wort. „Angscht.“

Ich habe den Fisch aufgesetzt, nun ja, in einen Topf gemacht, mit Olivenöl, später Paprika und Zwiebeln dazu. Es ist kindertechnisch ein Horroressen wegen der Gräten. Im Topf ist alles zerfallen. Aber Peppi isst eh nur Reis. Und Toni kriegt Happen für Happen von uns seziert. Sie will ihre gelbe Forelle und isst sie tatsächlich komplett. Mit Zitrone. Danach isst sie noch eine halbe von uns.

Danach wieder abspülen. Ich bin mittlerweile tollkühner geworden und nehme einen winzigen Tropfen Spüli, obwohl wir keinen Abwassertank haben und ja alles auf die Wiese kippen müssen. Laut den Statuten von France Passion dürften wir aus dem Grund gar nicht mitmachen, weil wir nicht komplett autark sind wie die anderen Wohnmobile, die wir sehen, was man daran merkt, dass man nur die Wohnmobile sieht, und nie die Menschen darin, weil sie eben alles drin machen, während wir alles draußen machen, außer Schlafen. Dann aufräumen, die Kinder, es ist eine ständige Plackerei, aber es fühlt sich nicht an wie Plackerei, weil es immer wo anders ist.

Wir haben eineinhalb Liter Milch beim Bauern gekauft, er hat sie uns in eine Plastik-Wasser-Flasche gefüllt. Ich setze die Milch zum Abkochen auf, das hat der Bauer gesagt, müssten wir. Hinter mir geht die Sonne unter, rosa-orange, im Dorf gehen die Lichter an und eine Mondsichel steht auch am Himmel. Zwei Esel, Pferde um uns herum, und die Kätzchen. Unsere tapfere Veteranin zum Glück immer noch drin. Mache den Kindern Milch mit Honig, schmeckt fantastisch. Morgen brauchen wir dringend eine Tankstelle, immer brauchen wir irgendwas dringend. Aber eingekauft hab ich gut, das wird uns noch bis übermorgen reichen. Dann werden wir dringend wieder Trinkwasser brauchen. Es ist Tag fünf und wir sind noch immer nicht mal auf der Höhe von Freiburg. Heute haben wir knapp 100 Kilometer geschafft. Viel mehr erscheint unrealistisch.