Böblingen – Betschdorf

Nach fünf Wochen und fünf Tagen auf der Böblinger Wendeplatte sind wir abfahrbereit, es ist schon mitten am Nachmittag. Aber die Katze hat Lunte gerochen. Ist weg. Ich ziehe mit den Brekkis klappernd über die Diezenhalde und singe: Katharina. Auf dem linken Ohr höre ich fast nichts. Die Trauer darüber, dass sie nicht einfach hierbleiben kann, wo es ihr so gut gefällt. Die hilflose Verzweiflung darüber, dass sie nicht bei Anke W. in unserer Wohnung bleiben durfte, weil Anke W. nicht bei uns einziehen durfte. Egal. Mit der Bierflasche in der Hand lasse ich mich im Schatten vom Düdo nieder, da kommt eine Nachbarin: Suchen Sie die Katze? Ja. Sie zeigt mir wo sie ist: Im Vorgarten von anderen, verreisten Nachbarn hinter einer dicken Hecke. Da liegt sie und lässt sich widerstandslos greifen.

Der Düdo quält sich durch den Schwarzwald. Bergauf schaffen wir nicht mehr als 40. Volkers Blick haftet sorgenvoll auf der Motortemperatur-Anzeige-Nadel rechts oben auf dem Armaturenbrett. Mit Katharina im Auto ist es schlimmer denn je. Sie hört nicht auf zu maunzen und kommt immer wieder nach vorne gesprungen, tänzelt hinter der Windschutzscheibe hin und her. Wir halten in einem Kaff auf dem Supermarktparkplatz und stecken sie in den Kofferraum. Schlechtes Gewissen. Was für eine bekloppte Aktion. Tiertransport. Wir fahren weiter, irgendwann maunzt es wieder. Sie hat sich durch den Schlitz rund um die Heizungsrohre nach vorne durchgequetscht.

Wir halten am Waldrand an einer Bushaltestelle / Waldweg. Peppi ist wieder wach. Verschwitzt und hungrig. Wir essen Bretzelchen von Volkers Mutter. Volker schlägt vor, dass wir nach Frankfurt fahren könnten, um dort auf eine Katzenlösung zu warten. Raus aus dem Schwarzwald. Unser Ziel ist noch weit weg, über eine Stunde, mit wacher Peppi und gequältem Katzentier. Aber die Frankfurt-Option ist ungewiss. Dann kommen wir da mitten in der Nacht an. Und dann? Wir kennen auch in Frankfurt niemand, der die Katze nehmen würde, sondern hoffen nur, dass wir vielleicht jemand finden könnten. Ich krieche unters Bett und hole den Katzenkäfig, der auf dem rechten Radkasten steht. Wir quetschen Katharina in den Käfig und stellen den Käfig in den Kofferraum. Noch schlechteres Gewissen. Wie bekloppt geht es denn noch.

Aber wir probieren jetzt doch nach Betschdorf zu kommen, unser erstes France-Passion-Ziel kurz hinter der Grenze. Wir schaffen es knapp vor Anbruch der Dunkelheit. Eine Töpferei am Waldrand. Und am Rand eines Gewerbegebietes. Riesige LKWs fahren vorbei. Lautes Scheppern. Ich tippe auf Schrottplatz. Es ist aber ein Speditionsgelände. Der Töpfer ist nett, die Wiese groß, die Katze lebt noch. Euphorie. Toni ist so munter und fröhlich wie seit Tagen nicht. Wir weihen unser Klo ein. Sogar die Spülung spült erstaunlich gut. Wir essen und machen danach noch eine Nachtwanderung durchs Gewerbegebiet.

Wir kommen an einer Waschanlage vorbei. Die mit dem blauen Elefanten, der sich mit dem Rüssel Wasser auf den Kopf pustet. Ich interessiere mich für die Waschprogramme und Preise. Vor unserer Abreise haben wir den Düdo einer dreistündigen Waschaktion unterzogen und danach tagelang mit Polierpaste und Schwamm gestreichelt. Tätigkeiten, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich jemals meine Zeit mit ihnen verbringen würde. Ich habe sogar fußballspielende Kinder aus der Düdo-Nähe verjagt, aus Angst ums Auto. Mercedes-Besitzerin eben. Preise sind nirgends zu finden. Immer mal wieder kommt ein Riesen-LKW in der Dunkelheit vorbei. Wir laufen noch ein bisschen die Straße lang, kehren dann um. Toni klettert auf Felsbrocken am Wegrand.