Asilah – Cabo Negro

Die allerletzte Mission: Autowaschen. Die Tankstelle am Ortsausgang von Asilah, Preisverhandlungen, ein gutsituierter Herr, der gerade seinen Mercedes wienern lässt, hilft bei der Verständigung. Er freut sich, sein Englisch anbringen zu können, sagt, was er selber zahlt, und rät uns implizit ab: „I think you get it cheaper elsewhere.“ Auf der anderen Straßenseite ist eine Reifenbude. Stimmt, Luftdruck, das war die andere Mission. Ich schlappe rüber, sie können 5 Bar, es kostet fast nichts, ich winke Volker mit dem Düdo her.

Der sehr freundliche Reifenmensch sagt, dass das eine Ventil undicht sei. Er winkt mich runter, sagt, man könne es hören, wenn man das Ohr ganz nah an den Reifen halte. Ich höre nichts, spüre aber am Finger einen ganz leichten Luftzug. Er bietet uns an, das Ventil zu wechseln. Das heißt, Reifen runter, Luft raus, altes Ventil raus, neues Ventil rein, Luft rein, Reifen wieder drauf. Der Mann will dafür 50 Dirham haben. Was für ein Glück, dass uns die Sache mit dem Luftdruck noch in Marokko eingefallen ist. Der eine Reifen kam uns schon länger minimal platter vor als die anderen, aber wir hatten uns nichts dabei gedacht. Die Kinder wollen zugucken.

Wir suchen erst hektisch nach dem Drehmomentschlüssel, dann hektisch nach der Stelle, wo wir uns notiert haben, mit wie viel Newtonmetern die Schrauben am Rad angezogen werden müssen. Wir müssen sie finden, bevor der Mann draußen soweit ist. Wir könnten ihm nicht begreiflich machen, warum und worauf er warten soll, bevor er seinen Schraubschlüssel mit dem langen, rostigen Rohr ansetzt. Die Notiz findet sich nicht in unserem Düdo-Büchlein, sondern auf Volkers Handy. 190 Newtonmeter. Volker darf sogar selbst die Schrauben anziehen, der Reifenmensch überlässt ihm das Feld. Gibt uns aber zu verstehen, dass es mit seiner Brechstange genauso gut geworden wäre wie mit unserem TÜV-geprüften Präzisionsinstrument. Hat er bestimmt Recht. Wir bedanken uns überschwänglich, schenken ihm alles, was noch in unserer Tauschtüte ist, er bedankt sich überschwänglich, sagt, dass Allah unsere Reise beschützen möge. Wir machen noch ein Foto mit Toni. Dann ziehe ich los, die letzte Decke kaufen.

Ich bin so lange weg, dass Volker schon denkt, es wäre was passiert. Dabei ist nur das Übliche passiert: Der Deckenmensch war essen, sein Laden mit zwei überkreuzten Besenstielen verriegelt, die Nachbarn versuchten schließlich, ihn für mich her zu telefonieren, aber es dauerte, bis er wirklich auftauchte. Dann freute er sich so, mich noch einmal zu sehen, dass ich ihm auch nicht das Geld hinknallen, die Decke schnappen und aus dem Laden rennen konnte. Jetzt bin ich wieder am Düdo, die ganze Familie ist verschwitzt und halb durchgedreht. Toni ist ein Kätzchen und hat sich unterm Bett versteckt. Als endlich alles im Kindersitz sitzt, springt Katharina raus, versteckt sich unter dem Düdo auf ihrem alten Stammplatz, dem Reserverad. Probiert zwar, mit der Pfote nach der Fleischstange zu angeln, die wir ihr hinhalten, steigt dafür aber nicht herunter von ihrer sicheren Warte. Kinder auf dem Fahrrad halten an und gucken, was wir machen.

Als wir endlich loskommen, haben alle schon wieder Hunger, egal, wir müssen jetzt los. Peppi schläft ein, ich füttere die anderen mit Datteln und Mandeln. Wir brauchen länger als gedacht. Die Ausläufer des Rif-Gebirges. Graue Felsen, Wiesen, die blühen und blühen. Gelb, lila, blau. Ich bedaure jetzt doch, dass wir diese Landschaft verpasst haben. Volker, der froh ist, aus Marokko raus zu kommen, sagt, dass wir ins Allgäu fahren könnten, wenn mir so wass gefällt. Am Straßenrand bieten Frauen mit bunten Bommeln an den Hüten Kuchen zum Verkauf.

Volker will nicht nach Tetuan rein, um einzukaufen. Wir sind beide schon ganz zittrig vor Hunger. Die Stadt erstreckt sich endlos weit, links und rechts der Nationalstraße gibt es aber keine Obststände. Stattdessen taucht rechter Hand ein Marjane auf. Ich zögere, möchte nicht den letzten Einkauf in Marokko im Supermarkt absolvieren, aber es ist Quatsch, wir sind alle so verhungert, dass Stil keine Rolle spielt. Haben keinen Schluck Trinkwasser mehr. Ich nehme Toni und Peppi mit, damit Volker kurz Pause hat, wir kaufen chinesische Tütensuppen, Wasser, Brot und Vachequirit.

Den Pferdehof hatten wir uns beide ganz anders vorgestellt, einsam auf einem Hügel in der Natur. Tatsächlich ist hier alles besiedelt, quasi noch Vorort von Tetuan. Aber der Blick aufs Gebirge ist toll, und der Spielplatz auch. Ein echter Abenteuerspielplatz, mit selbstgebauten, halsbrecherischen Klettergelegenheiten.

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