Auxey-Duresse – Burnhaupt-le-Haut

Wir quälen uns durch dichten Verkehr Richtung Jura, haben heute ein vernünftig recherchiertes Nachmittagsziel: Das Tal der Loue. Liegt nicht direkt auf dem Weg, ist sogar ein mehrstündiger Umweg, das wird uns aber erst klar, als wir schon viel zu weit sind, um ein Umkehren noch vor uns rechtfertigen zu können.

Ornans, Courbet-Geburtsstadt, Volker ist überrascht, unverhofft freudig, hier dem Maler zu begegnen, dem er einige Seiten seiner Diplomarbeit verdankt. Wir entscheiden uns spontan für einen ziemlich abwegigen Programmpunkt: Volker darf ins Courbet-Museum, ich in der Zeit mit den Kindern auf irgendeinen Spielplatz. Vorher Picknick auf einer Rasenfläche neben der Straße, hinter uns Zäune um Einfamilienhausträume, Johannisbeersträucher.

Auf dem Weg in die Stadt fällt Peppi, sicher auf Volkers Arm sitzend, ihr rotes Spielzeugauto auf die Straße, das Geschenk von dem Rastafari in Barao. Der Himmel sei gepriesen, dass Toni dem Auto nicht nachspringt, denn im nächsten Moment rollt ein riesiger LKW heran, wir alle starren gebannt auf das Spielzeugauto, wird der Zehntonner es verschonen oder nicht? Nicht. Die Reifen plätten das Autochen. Ich klaube die Reste von der Fahrbahn, Totalschaden. Der kleine Renner ist flach wie eine Münze. Peppi weint fassungslos. Als erlebe sie gerade den ersten Verlust ihres Lebens. Vielleicht ist es der erste Verlust ihres Lebens. Was sie schluchzt, erschreckt uns beide, Volker und mich, zutiefst. Sie schluchzt völlig verzweifelt: „Macht nichts!“

Wir liefern Volker im Museum ab, finden aber keinen Spielplatz. Nur irre schmale Bürgersteige links und rechts der Durchfahrtsstraße, die irgendwann ganz aufhören, dann muss man die Straßenseite wechseln. Ich halte Tonis Händchen umklammert, das geplättete Auto vor Augen.

Toni will sich etwas von ihrem Geld kaufen, wir gehen in einen Schreibwarenladen, der überteuertes Spielzeug führt. Das meiste, was Toni interessiert, ist viel teurer als zehn Euro. Unzufriedenheit. Toni war davon ausgegangen, dass sie sehr, sehr viel Geld gefunden hatte, und jetzt das.

Als wir endlich unsere Füße ins Wasser der Loue setzen, ist es nach sieben. Soviel zum Thema „Nachmittagsziel“. Das Wasser sticht wie mit tausend Nadeln, so kalt. Außer uns noch ein Pärchen, dem nicht anzumerken ist, ob es unser Auftauchen schlimm findet. Die Frau steht bis zu den Oberschenkeln im Wasser, der Mann sitzt am Ufer und raucht. Falls sie auf Romantik aus waren, haben sie Pech gehabt. Wir hätten die Stelle auch lieber für uns allein. Toni reißt sich wie immer die Kleider vom Leib und stürmt ins Wasser. So schnell, dass sie schon bis zum Kinn drin ist, als sie merkt, wie kalt es eigentlich ist. Beweis für die langsamere Informationsübertragung der Zellen bei Kindern.

Toni weint auf: „Kalt!“ und muss sofort gerettet werden. Sie geht dann aber doch nochmal rein. Ich überwinde mich auch, ziehe aber ernsthaft in Erwägung, dass mein Kreislauf kollabieren könnte. Es ist das kälteste Wasser, in dem ich je gebadet habe. Das Pärchen, eigentlich ganz nett, sagt, dass es 12 Grad seien. Der Fluss entspringt nur wenige Kilometer weiter, offenbar tost das Wasser aus einem Felsen, wir können uns das leider nicht mehr ansehen, man müsste hin laufen, es ist zu weit, zu spät am Tag. Jedenfalls also ganz frisches, glasklares Wasser, das noch keine Chance hatte, von der Sonne erwärmt zu werden. Wunderschön.

Von Lods nach Nods, verschlungenes Kleinststräßchen. Und so geht es weiter. Saftig-grüne Weiden, weiße, schläfrige Kühe mit dicken Adern am Hals, Sonnenuntergang. Dann ist es finster und wir sind immer noch auf Kleinststräßchen unterwegs. Wir brauchen Stunden, bis wir auf etwas größere Sträßchen, auf die Schnellstraße, dann endlich auf die Autobahn finden. In der Dunkelheit erscheint die Langsamkeit uns sinnlos. Ich versuche, im Shell-Atlas nachzuvollziehen, wie das Navi uns geführt hat, ein aussichtsloses Unterfangen. Einmal auf der Autobahn, sind wir dann schon fast an der Grenze.

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