Böblingen – Jestetten

Unser zweiter Aufbruch, runter von der Wendeplatte, auf der wir wieder Tage länger standen als geplant. Peppi weint, weil sie bei Omi und Ota bleiben will, steckt alle damit an, außer mich. Regen, fünfzehn Grad, typischer deutscher Augusttag. Vor einem Jahr fuhren wir ins Ungewisse, waren aber gewissermaßen geborgen in Unwissenheit und Optimismus, dachten ja noch, wir würden gemütlich von Workaway zu Workaway zuckeln. Das ist jetzt vom Tisch. Wir kennen jetzt den Alltag, der uns erwartet, wissen dafür weniger denn je, wo wir hin sollen. Wollten eigentlich aufs Rainbow mit Lisa und Co., aber die haben vorgestern abgesagt, wegen Gewitterstürmen in den italienischen Alpen. Ein Hippie wurde in seinem Zelt von einem umstürzenden Baum erschlagen.

Was bedeutet das für uns? Wir können nicht aufbrechen, solange wir nicht die Himmelsrichtung wissen, in die wir aufbrechen wollen. Die Alternativen melden sich nicht. Doch, die Eltern von Tonis Kindergartenfreund Thiago schreiben zurück, laden uns herzlich ein, wir hatten schon nicht mehr damit gerechnet. Sie sind gerade nach Slowenien gezogen, in die Pampa kurz hinter der italienischen Grenze, nicht weit vom Rainbow. Wir hätten gern beides miteinander verbunden, jetzt besuchen wir eben nur Thiago.

Unsere einzige Regel für die zweite Runde: Nirgends hin, wo wir nicht vorher wissen, dass es Kinder in Tonis Alter gibt. Aber ob das reichen wird? Toni sagt täglich, dass sie wieder „festsitzen“ will. Am liebsten würde sie wieder nach B-felde ziehen. Oder nach Böblingen.

Am Waldspielplatz mit Omi und Ota hat sie an einem Tag ein etwas älteres Mädchen erobert, die beiden wollen sich unbedingt gegenseitig zeigen, wo sie wohnen. Toni zeigt die Wohnung ihrer Großeltern, den Düdo will sie nicht zeigen. Die Kinder flattern durch die Wohnung, Toni ist selig. Volker sagt: „Das ist alles was sie will, eine Wohnung und eine Freundin.“ Was tun wir ihr bloß an.

Der Grenzübergang in die Schweiz ist als solcher zu erkennen. Gut, denn wir müssen zum Zoll, um uns von der Schwerverkehrsabgabe befreien zu lassen. Brauchen für unser Veteranenfahrzeug keine Vignette. Halten zwischen zwei LKWs mit fabrikneuen Autos hinten drauf. Toni besteht darauf, dass die Autos kaputt seien und zum Schrottplatz gebracht würden.

Alle Parkplätze am Rheinfall kosten fünf Schweizer Franken pro Stunde. Wissen zwar nicht genau, wie viel Euro das sind, bestimmt aber viel zu viele. Wir stellen uns kurz in eine verbotene Parkbucht, verlieren kein Wort darüber, um Toni nicht zu beunruhigen. Der Fluss stürzt auf ganzer Breite über eine Felstreppe hinab, die Luft ist weiß von Gischt. Die Augen können gar nicht anders als hingucken. 

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