Bordeira – Marmelete

Der Morgen ist bedeckt und kühl, Peppi reißt sich trotzdem die Kleider vom Leib und legt sich bäuchlings in die Lagune. Das Wasser ist so flach, dass der Popo raus schaut. Peppi macht auch schon Schwimmbewegungen, wie ein kleines Fröschlein. Wir beschließen, uns Marc anzuschließen und zur Pizza-Party zu fahren. Die Anderen auch. Die momentan viergliedrige Reisegruppe löst sich also nur kurz auf, um sich am späten Nachmittag wieder zu versammeln.

Die Markthalle in Aljezur hat leider schon zu, wir sind wie immer zu spät. Also in den Intermarché, in dem sich das gleiche internationale Publikum tummelt wie überall hier. Es gibt Vollkornbrot und allerhand glutenfreies Zeug. Mit Lebensmitteln für drei Tage, aber niedergeschlagen wie immer nach dem Einkaufen seit wir nicht mehr in Marokko sind, komme ich zurück an den Düdo. Habe nichts Besonderes gekauft, weder Kekse, noch Limo, noch Eis. Dementsprechend ungnädig ist der Empfang.

Auf dem Weg zum Stausee ist zufällig plötzlich der Hymer von Marc mit den Kindern Simon und Marta hinter uns. Vielleicht kein sooo großer Zufall, wir haben ja das gleiche Ziel. Trotzdem. Ich kriege langsam einen Rappel, weil mir der Zipfel von Portugal, in dem wir seit zwei Wochen hin und her gondeln, so überschaubar erscheint. Wir lassen Marc vor, weil er den Weg kennt. Sobald wir von der Landstraße runter sind, gehen wir mehr und mehr auf Abstand. Die Staubwolke, die der Hymer aufwirbelt, nimmt uns Sicht und Atem. Volker ist begeistert von der Gegend, die ich als hübsch aber unspektakulär bezeichnen würde. Waldige Hügel. Erinnert uns beide von Ferne an den Schwarzwald. Hatte mir die Algarve ganz anders vorgestellt, habe aber vergessen, wie.

Wir stellen den Düdo vor den Bus von Kai und Nele, Volker hofft, dass der Schutz der dort wachenden Hündin Lola irgendwie auch auf uns abstrahlt. Jede Menge Autos hier mitten im Nirgendwo, von weitem schallt Musik zu uns herüber, die Sonne steht tief. Unser Trupp setzt sich in Bewegung, den Pizza-Connection-Schildern folgend. Ich bin vorfreudig aufgeregt, aber auch etwas befangen, ganz so, als würde es auf eine richtige Party gehen.

Zehn Euro Eintritt pro Erwachsener, zwei Bier inklusive, und so viel Pizza wie man will. Die Kinder sind frei. Ich bin begeistert. Die Veranstaltung ist wesentlich professioneller aufgezogen als ich mir das vorgestellt hatte. Bestimmt zehn junge Freiwillige mit Kriegsbemalung und Lächeln im Gesicht kneten Teig, rollen Fladen, belegen sie und schieben sie in einen Steinofen. Das Gelände liegt auf einer Terrasse am Hang, überall stehen kleine, bunt behangene Hütten, Zelte, sogar ein Düdo mitten auf der Wiese, wie sie den wohl hier hoch gekriegt haben. Das Gründstück hat ein älterer deutscher Hippie gepachtet, der mithilfe von 40 Freiwilligen jeden Freitag diese Veranstaltung schmeißt.

Und alle kommen sie, in diesen wahrscheinlich einzigen richtigen Freiluft-Club der westlichen Algarve. Junge Kiffer und gesetzte Hippies; Deutsche, Engländer und Holländer, die aus ihren feuchten Herkunftsländern nach Portugal ausgewandert sind; Leute wie wir in ihren VW-Bullis, Düdos und Fiat Ducatos; und sogar echte Portugiesen: Junge, gestählte Feierbiester, die sicher härtere Sachen intus haben als ein bisschen THC.

Auf dem Tausch-Tisch finden wir den gleichen Ball, den ich in Sevilla im Decathlon gekauft habe und der uns in Faro übers Haff davon geweht ist, nur in grün statt in gelb. Auch schön. Just heute hat Peppi das Thema immer wieder angesprochen: „Ball weggeweht. Traurig.“ Jetzt ist sie so beglückt über den neuen, dass sie den Ball den ganzen Abend im Arm hält. Ihre Hunde-Phobie ist auf dem Weg der Besserung. Sie tapst mutig ins Getümmel, den anderen Kindern hinterher, obwohl überall riesige, unangeleinte Viecher herumstrolchen.

Es wird dunkel, alles Weiße leuchtet kalt im Schwarzlicht auf der Tanzfläche. Nur die Zähne der Leute schimmern gelblich. Hatte den Anblick fast vergessen. Alles hier, das Schwarzlicht, die morbid-verspielte Muschel-Deko, die Musik, die Touristen, die Kiffer, und das Gefühl, hier nicht her zu gehören, erinnert mich an meine Thailand-Reise vor, um Gottes Willen, vierzehn Jahren.

Es ist nach elf, als ich mit den Kindern ins Bett krieche, die Bässe wummern von weit her, wir werden schlafen können. Volker nutzt vernünftigerweise die seltene Gelegenheit und den Stempel auf seiner Hand und geht noch mal auf die Party.

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