Essaouira, Parkplatz hinter den Dünen – Essaouira Strandpromenade

Ich säge die Hölzchen ab, auf denen die Regalbretter aufliegen, damit die Kisten, die Ali uns gerade schreinert, Inshallah, über die Sperrleisten passen – kompliziert zu erklären, lohnt den Aufwand nicht. Volker ist mit den Kindern auf die Dünen gestiegen. Ein Deutscher aus Hannover, dessen Wohnmobil neben dem Düdo parkt, steckt den Kopf zur Tür herein, will sich unterhalten. Ich hingegen will die Zeit nutzen, in der die Kinder weg sind, will sägen. Dann tauchen unsere amerikanischen Freunde Alex, Nikko und Oli auf, der Hannoveraner labert mich weiter auf deutsch zu. Ich sage ihm, dass ich jetzt nicht plaudern kann, dass Besuch gekommen ist. Verstehe nicht, wieso er das nicht selbst sieht. Er zieht ab, so brüsk und wahrscheinlich verletzt, dass er mir leid tut.

Wir haben in Ounagha Freundschaften geschlossen. Eine Familie mit vier Kindern, die immer übers Wochenende aus Essaouira auf den Campingplatz kommt und dort eines der Häuschen bezieht. Sie haben Toni lauter Sachen geschenkt, einen Haarreif, eine rosa Plastikdose mit Prinzessinnen drauf, ein Kopftuch, und mir zum Schluss auch etwas, einen kupfernen Armreif. Wir haben immerhin Sara, der elfjährigen Tochter, die Robbe geschenkt, und Adam, dem achtjährigen Sohn, das Küken. Für die Eltern fiel uns nichts ein. Diese sehr freundlichen Leute, mit denen wir in Ounagha Tee tranken, haben uns heute 14 Uhr zu sich eingeladen.

Wir haben uns den Kopf zerbrochen, was wir ihnen als Gastgeschenk mitbringen könnten, wir haben im Düdo zwar vieles, was entbehrlich ist, aber nichts davon ist repräsentativ genug, um als Geschenk zu taugen. Schließlich kaufe ich im Carrefour eine überteuerte Packung Ferrero Rocher.

Der Vater holt uns mit seinem Auto ab, Sara ist auch dabei, ich klettere mit der schlafenden Peppi und mit Toni auf  den Rücksitz, Volker fährt uns mit dem Düdo hinterher. Das Haus liegt neben einer Schreinerei, aber die Schreinerei gehört nicht zur Familie, sondern die Autowerkstatt daneben, die aber keine Werkstatt ist, sondern nur eine Stelle für Inspektionen. Der Vater ist offenbar so was wie ein TÜV-Prüfer. Hätten wir auch nicht gedacht, dass es das in Marokko gibt.

Es gibt Couscous, für die Erwachsenen im Wohnzimmer, für die Kinder und die Oma in der Diele. Toni probiert es bei den Kindern, kommt aber bald zu uns. Es schmeckt ihr nicht, und alle drängen sie zu essen, das ist das Problem. Sie erzählt mir das erst ein paar Tage später, in der Situation selbst bin ich so unempathisch, dass sie überhaupt keine Gründe nennt. Ich schicke sie einfach wieder zurück, besessen von der fixen Idee, wir dürften uns über die Tischordnung der Gastgeber nicht hinwegsetzen. Peppi isst auch bei uns. Sie haut richtig rein.

Volker und ich essen auch viel, aus Hunger und aus Höflichkeit. Glücklicherweise erscheinen sehr bald ohnehin alle Kinder im Wohnzimmer, es scheint okay zu sein. Sie machen den Fernseher an, gucken unglaublichen Trash, blonde Leute schreien sich an, es geht irgendwie um Pepsi Cola. Gefilmt wie mit einem Fish-Eye-Objektiv, wahnsinnig bewegte Kamera. Der Vater fragt uns, ob die Sprache, die da gesprochen werde, deutsch sei. Ist es nicht. Einem Kind im Fernsehen mit Zöpfen rinnt Eis aus dem Mund. Toni und Peppi stellen sich ganz nah an den Fernseher, als wollten sie alles aufsaugen, oder als seien sie selbst aufgesogen von diesen verrückten Bildern. Die Geräuschkulisse macht die Unterhaltung auf französisch nicht leichter.

Beim Abschied traue ich mich endlich, mich nochmal nach dem Namen der Mutter zu erkundigen. Anfangs ging es so schnell los und dann im selben Rhythmus weiter, dass ich alle Gelegenheiten verstreichen ließ, oder es gab keine. Sie heißt Souad. Und schenkt mir zum Abschied noch einen Plastikring, lässt ihn, wie auch schon den Armreif, wieder durch Sara überbringen, als wir schon aus dem Haus raus sind. Für Volker haben sie ein paar jener landestypischen gelben Lederschlappen vorgesehen. Leider sind sie ihm viel zu klein, Volker demonstriert, dass er nicht einmal reinschlüpfen kann, weil sein Fuß zu breit ist. Er hat, genauso wenig wie ich, begriffen, dass sie ihm die Schuhe in jedem Fall schenken werden.

Der Vater bringt mich mit dem Auto zu dem Schneider, einem Spezialisten für Autositze, alle seine Kinder kommen mit. Volker fährt mit Toni und Peppi schon zu unserem Stammplatz an der Strandpromenade. Ich bin erleichtert, dass der Vater mich, als wir mit dem Schneider fertig sind, meinem Schicksal überlässt, und nicht darauf besteht, mich noch wo hin zu fahren. Ich weiß ungefähr, wo ich bin, finde sofort zur Medina und durchquere sie auf einer der beiden Hauptachsen. Kaufe für Toni und Peppi zwei der kitschigen magnetischen Schuhchen, die sich Toni schon lange gewünscht hat.

Der Düdo steht wieder auf seinem Stammplatz an der Strandpromenade, ich springe mit Toni noch ins Meer, die Anstrengung des Tages abspülen.

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