heiße Quelle

Gleich nach dem Aufstehen renne ich mit Toni zum heißen Becken. Wir sind die allerersten, die draußen sind. Hinter den Bergen wird gleich die Sonne aufgehen, sie strahlt die Wolken orange an, drum herum ist alles rosa. Toni legt sich auf mich drauf, wir sind beide nackt, ich habe unsere Badeanzüge dabei, aber außer uns ist hier ja niemand. Die Vögel zwitschern um uns herum. Es ist unwirklich schön.

Toni planscht und sagt: „Ich genieße es.“ Es ist ein Wort, das sie relativ neu gelernt hat. Ich frage Toni: „Wirst du dich daran erinnern, wenn du erwachsen bist?“ Toni sagt, dass das noch lange dauert. Recht hat sie.

Außer uns sind leider ziemlich viele andere Leute da. Basti und Leo, außerdem ein alter Engländer, Alan. Dann zwei weitere Hippies, ein Österreicher und eine Italienerin. Diese Fraktion ist angenehm und ruhig. Aber dann gibt es leider noch eine Wagenburg von vier französischen Camions, in denen junge Partypeople mit bestimmt zehn Hunden wohnen. Ein Husky springt mich an, ich habe keine Angst vor Hunden, aber Peppi auf meinem Arm kriegt fast einen Herzkoller. Sie nehmen ihre Hunde mit ins Wasserloch, ich sehe etwas angeekelt zu. Volker bittet einen von ihnen, die Hundekacke am Wasserloch wegzumachen, er macht es auch ohne Widerworte.

Mittags machen die Partyfranzosen Musik an, der Wind trägt die Bässe zu uns herüber durch die Stille. Mein Bedürfnis nach Respekt und Wertschätzung für den besonderen Ort an dem wir sind, ist sehr unerfüllt.

Nachmittags rennen zwei der riesigen Köter auf Toni zu und kläffen sie an, so dass sogar unsere unerschrockene Räubertochter Angst kriegt und panisch schreit. Einer der vielen Besitzer geht auf Volker zu und entschuldigt sich, die Hunde seien noch jung. Volker sagt, dass die Leute nett seien. Ich nehme die Strandmuschel und den Laptop und verziehe mich ein paar Hundert Meter weiter in die Wüste zum arbeiten am Blog. Sogar hier hört man noch die Bässe. Meist knattert aber die Strandmuschel lauter im Wind.

Als ich kurz vor Sonnenuntergang aus der Strandmuschel krieche, sehe ich Kamele bei der Quelle. Es ist eine riesige Kamelherde. Ich mache Handyfotos und laufe los, gen Düdo, die große Kamera holen. Toni sitzt mit den Österreichern im Wasserloch. Die Kamele stehen drum herum und trinken. Alle Touristen machen Fotos. Die Kamele halten sich nicht lange auf, wahrscheinlich haben sie Angst vor den vielen Menschen und Hunden, und vor der Musik der Franzosen. Sie gehen weiter, kommen doch nochmal zurück, wahrscheinlich hin- und hergerissen zwischen Fluchtinstinkt und Durst.

Eine junge Französin fängt plötzlich an, wild mit den Armen rudernd auf und ab zu hopsen, wahrscheinlich soll das ein Tanz zur Musik sein. Die Kamele kriegen einen Schreck und galoppieren in die eine Richtung, nur ein kleines Kamelkind galoppiert aus Versehen in die andere. Die Herde steht jetzt auf der einen Seite des Wasserlaufes, das einzelne Kamelkind auf unserer, neben einem Wohnmobil. Es weiß nicht, wie es zu den anderen kommen soll und blökt erbärmlich. Mir zerreißt es fast das Herz. Die blöde Französin kriegt nicht mal mit, was sie da angerichtet hat. Mein Bedürfnis nach Respekt und Wertschätzung für den besonderen Ort an dem wir sind, ist unerfüllter denn je. Irgendwann zeigt einer der Marokkaner – ist es der Kamelhirte, oder sind die ganz allein unterwegs, wir wissen es nicht – dem Kamelkind, wo es über den Flusslauf kommt, zum Glück.

Aber meine Abneigung gegen die jungen Franzosen ist jetzt so groß, dass ich die Bässe fast nicht mehr ertrage. Ich finde diese Partynomaden, die jeden Ort, an dem sie ihr Lager aufschlagen, in ihre persönliche Chillout-Lounge verwandeln, keinen Deut besser als die überwinternden Rentner, die auf den Campingplätzen französische Kleinstädte aus ihren Yoghurtbechern bilden. Wir hören ausnahmsweise sogar beim Abendessen Frederik Vahle, damit ich die Bässe nicht hören muss. Danach geht Volker, mein Held, rüber und bittet sie, die Musik auszumachen, damit unsere Kinder schlafen könnten. Sie machen es, Volker sagt, dass sie nett reagiert hätten.

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