Les Salces – Conas

Bevor wir nach Pézenas fahren, wollen wir auf den Flohmarkt in Montpellier. Wir brechen früh auf, der Flohmarkt geht nur bis eins. Wir haben keine Adresse, nur eine Postleitzahl. Wir stehen vor dem Stadion. Kein Flohmarkt. Viele Araber sind hier unterwegs, viele Schwarze, ein ungewohnt großstädtischer Anblick nach den Wochen im pittoresken Les Salces. Sind das harmlose Wohnblocks oder sind wir im Banlieue von Montpellier gelandet? Es ist schon nach elf, ich werde nervös. Wie um alles in der Welt sollen wir den Scheißflohmarkt finden? Will irgendwie niemanden fragen, Anfall von Schüchternheit, finde außerdem das Publikum so dezidiert unflohmarkthaft, dass ich mir nicht vorstellen kann, eine sinnvolle Antwort zu kriegen. Schließlich spricht Volker ein vorbeigehendes Pärchen an, ich springe ein, als sie ihn nicht verstehen. Sie suchen auch den Flohmarkt. Gutes Zeichen.

Er ist riesig und trashig. Die schiere Masse an Zeug hält mich auf Distanz, ich kann mich nicht überwinden, näherzutreten und anzufangen zu wühlen. Will plötzlich nichts mehr haben. Ich suche ein Fahrrad, Klapprad im Idealfall. Ich finde eins, ein einziges. Es ist hübsch, weiß, retro. Es hat einen Platten. Deshalb kostet es nur fünf Euro! Ich Idiotin schlage nicht zu, sondern gehe weiter, überlege. Will nicht überstürzt etwas kaufen, was uns gleich wieder Arbeit macht. Heute ist Sonntag, wir können also keinen neuen Schlauch kaufen. Bräuchten wahrscheinlich auch gleich einen neuen Mantel. Morgen fängt der Workshop an, zu dem ich mit dem Fahrrad fahren will, bis dahin kriegen wir es nicht flott.

Aber wir wollen ein Klapprad. Es ist wahnsinnig hübsch. Es kostet nur fünf Euro. Was überlege ich überhaupt. Ich kehre zurück zu dem Stand, da kommt mir ein Mann entgegen, der schiebt mein Fahrrad! Ich kann es kaum fassen. Als bräuchte ich letzte Gewissheit deute ich auf die leere Stelle und frage den Verkäufer ob das Fahrrad verkauft sei. Er nickt stolz, lässt mich Idiotin von oben herab wissen: „Ich habe es für sieben Euro verkauft!“ Ich suche den Käufer im Gewimmel, schleiche ihm nach, er sieht selbst aus wie ein Flohmarktverkäufer. Vielleicht hat er es zum Weiterverkauf gekauft. Ich spreche ihn an. Er sagt, er habe nur vier Euro gezahlt. Er will es nicht weiterverkaufen.

Ich kaufe für fünfundzwanzig Euro ein türkisfarbenes Mountainbike. Ich kaufe eine sehr coole Jacke für Toni und eine senffarbene Cordhose. Ein Katzensweatshirt, das ihr wahrscheinlich noch viel zu groß ist. Zwei Stoffhasen, eigentlich suche ich Einhörner, denn die hat Toni bei der Zahnfee bestellt, aber ich finde keine. Mehrmals begegne ich dem Mann mit meinem Klapprad. Jedes Mal frage ich ihn, ob er es doch verkaufen würde. Er will es erst reparieren und dann für einen teureren Preis verkaufen. Irgendwann bietet er es mir für zwanzig Euro an. Ich kann nicht über meinen Schatten springen.

Der Düdo parkt in einer Sackgasse, die zu einer Gypsy-Siedlung führt. Wir wenden am Ende der Sackgasse, was gleichzeitig die Einfahrt zu dem Grundstück voller Bauwägen und Baracken ist. Ein schwarzer Audi kommt die Sackgasse entlanggefahren, hält neben uns, will nicht vorbeifahren, sondern offenbar dem Prozess des Wendens beiwohnen. Vielleicht um sicherzugehen, dass wir wirklich verschwinden. Bayern Munich, sagt der Mann und zeigt auf das B auf dem Düdo-Kennzeichen.

Der Campingplatz liegt in Conas, neben Pézenas. Es gibt nur einen lächerlich winzigen Spielplatz, aber einen schönen Pool. Der Wind trägt den Lärm der Autobahn her, die wenige hundert Meter entfernt verläuft. Der schwule Campingplatz-Chef ist sehr nett. Und alle Düdo-Insassen sind fix und fertig. Wir würden es heute sowieso nirgends sonst mehr hinschaffen.

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