Marrakesch – Ounagha

Am Morgen hängt eine Tüte mit Lebensmitteln an der Rückleiter. Die Franzosen haben uns ihre Reste dagelassen, wie nett. Und Seife und Reinigungswasser für Babypos. Es gibt ein Festessen-Frühstück mit Frischkäse und Marmelade von den Franzosen. Wir verlassen den Campingplatz Punkt zwölf und halten ein paar hundert Meter weiter im Schatten eines Baumes, um zu picknicken. Ein Mann mit Pferd hält bei uns an und will, dass wir ein Kind auf sein Pferd setzen, oder uns zumindest mit ihm fotografieren. Das wollen wir aber nicht. Erstens haben wir genug Fotos von unseren Kindern auf Tieren sitzend, und zweitens mittlerweile genügend marokkanische Menschenkenntnis, um diesen Herrn als einen zu identifizieren, der für so was Geld haben möchte. Wir sind nicht mehr in der Pampa, sondern vor den Toren Marrakeschs.

Als ich gerade Joghurts aus dem Kofferraum hole, halten drei Jungs auf einem Mofa an, der dickste von ihnen bewegt die Hand zum Mund und macht Kaubewegungen. Dabei guckt er traurig.

Das Navi will uns plötzlich einen anderen Weg führen als erst angekündigt. Ich schimpfe aufs Navi und beharre darauf, dass der erste Weg besser sei, sage Volker, dass er nicht dem Navi folgend abbiegen soll. Ein paar Minuten später bereue ich meine Sturheit. Die vierspurige Ausfallstraße aus Marrakesch ist völlig verstopft. Wir brauchen mehr als eine halbe Stunde, bis wir aus der Stadt raus sind. Dann folgen zwei Stunden Schnellstraße durch unspektakuläre Gegend. Die Straße ist nicht ohne, weil Volker immer wieder völlig überladene LKWs überholen muss.

Kaum in Ounagha angekommen, sehen wir sofort den Schreiner. Er steht vor seiner Werkstatt und sieht genauso aus wie im Reiseführer. Er ist der Grund, warum wir dieses Kaff 20 Kilometer vor Essaouira angesteuert haben. In einem Nebensatz erwähnt unser WDR-Redakteur, dass der Schreiner Ali seine Werkstatt neben den Pforten des Campingplatzes habe, ein Meister seines Fachs sei und absolut seriös. Genau was wir brauchen. Die große Mission von Marokko 2.0 ist der Düdo-Ausbau. Ali soll uns Trennwände, Schränke und eine Küchenzeile schreinern. Aber noch weiß er nichts von seinem Glück, wir biegen auf den Campingplatz ein.

Zum ersten Mal seit wir wieder da sind, gehe ich einkaufen. Erst schüchtern, wie eine Anfängerin, dann zunehmend freudvoll. Gemüse uns Obst sind so billig und schön wie eh und je. Das Brot kostet nur einen Dirham und ist noch warm. Der Ort ist winzig. Mir fehlen noch Oliven und eingelegte Zitronen, ich sehe zwar nirgends einen Laden, der derlei führt, aber ich weiß genau, dass es einen geben muss und biege deshalb beherzt in eine überdachte Passage ein, und tatsächlich: Da sind sie. Der Laden ist zwar verwaist, aber bald taucht ein freundlicher, zurückhaltender Mann auf, der mir 250 Gramm Oliven aus einer Plastik-Regentonne fischt und abwiegt, und aus einer anderen Tonne drei eingelegte Zitronen. Es gibt keine Tüten, sondern er rollt aus Papier spitze Hüte, in die er die Waren füllt.

Auf dem Rückweg halte ich bei der Schreinerei. Es stellt sich heraus, dass der Mann, den wir für Ali gehalten haben, jemand anders ist, der Ähnlichkeit nach zu schließen womöglich der Bruder. Er holt den echten Ali aus den hinteren Gefilden der Werkstatt. Er will gleich mit zum Düdo kommen, um sich die Lage anzuschauen, aber ich hebe meine Einkaufstüten: Abendessenzeit, die Kinder, lieber morgen früh. Er fragt: Wann? Ich: Um zehn? Er: Lieber um elf, vorher bin ich auf dem Souk. Stimmt, auch das stand im Reiseführer, Sonntags ist fünf Kilometer von hier ein schöner Wochenmarkt, und morgen ist Sonntag.

Euphorisiert, alle Missionen erfüllt, kehre ich zum Düdo zurück. Wie herrlich, wieder diese fantastischen Oliven, dieses duftende Brot, ich bin so dankbar, zurück in Marokko zu sein.

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