Murração

Das Wasser ist kälter als überall sonst wo wir bisher waren, dafür ist der Strand auch schöner und einsamer als jeder andere, an dem wir bisher waren. Er ist auch vergleichsweise sauber, aber ein bisschen Plastikmüll liegt auch hier herum. Ich denke, dass es möglich sein müsste, alles aufzuheben. Aber wenn man einmal damit anfängt, sieht man immer mehr. Ich sammele eine große Tüte voll, und zwei kleine, und könnte immer noch ewig weitermachen. Leider gelingt es mir nicht, die Kinder zum Mitmachen zu gewinnen.

Die herrliche Kinderhorde: Unsere beiden, Sati, und das Kind der Pforzheimer, ein entzückender Vierjähriger namens Emillien, genannt Emmi. Sein kleiner Bruder Milo ist noch ein Baby, aber die anderen vier spielen manchmal alle zusammen, ein Anblick, der mich glücklich macht. Meist ziehen Sati und Toni aber zu zweit los, spielen komplexe Rollenspiele, bei denen sonst niemand mitkommt.

Zweimal versuchen Sati und Toni zu zelten, packen Schlafsäcke, Decken und Proviant für die Nacht in die Strandmuschel. Nach Einbruch der Dunkelheit streicht eine Fuchsmutter zwischen den Bussen umher, schätzt die Situation offensichtlich als harmlos ein, denn sie holt ihre Jungen nach, eins klaut den angebissenen Apfel von Toni, der aus der Strandmuschel gekullert ist. Toni und Sati finden es jetzt doch zu unheimlich, wollen lieber mal wo zelten, wo keine Fuchsbabys unterwegs sind.

Die Kinder gehen wahnsinnig spät ins Bett, nach zwei Tagen ist Toni wie verkatert, verbringt den gesamten Vormittag unansprechbar im Bett, den Lautsprecher im Arm, hört in Endlosschleife „The Girl Is Mine“ von Michael Jackson. Sie steht total auf Michael Jackson, das hat Volker an irgendeinem Pool in Marokko festgestellt, wo er zufällig aus den Boxen schallte. Toni war völlig verzaubert, lauschte konzentriert den komplizierten Beats und Michaels gedehnter, hoher Stimme. Henning hat daraufhin auf Volkers Bitte „Thriller“ beim Rossmann in Mitte gekauft und uns mitgebracht. Seitdem hat Mr. Jackson Conni von Platz eins der Düdo-Charts gejault. Toni versinkt in der Musik, stundenlang. Volker ist begeistert, ich latent besorgt. Toni ist vier!

Entspannte Koexistenz der Familien. Man hat miteinander zu tun, isst aber nicht gemeinsam, der Rhythmus ist verschieden. Die anderen erscheinen erst gegen Mittag hin auf der Bildfläche, bei uns weckt Peppi spätestens um acht die ganze Familie. Mir ist es recht, ich darf nach dem Aufstehen verschwinden, mache Yoga am Strand, meditiere sogar wieder. Toni ist nach dem vormittäglichen Kater den ganzen Tag mit Sati zugange, Peppi darf auch manchmal mitmachen.

In den ersten Tagen arbeite ich immer noch am Düdo nach – dichte die Fugen am Waschbecken ab, hänge die letzten Taschen auf – dann ist auch das geschafft, und plötzlich stehen wir vor der ungewohnten Situation, nichts Dringendes zu tun zu haben.

Das Kuriose an unserer bisherigen Reise war ja, dass wir während der Reise überhaupt erst die Voraussetzungen für die Reise schufen, sprich, den Bus ausbauten, während er schon rollte. Jetzt ist diese Arbeit fast abgeschlossen – also natürlich nicht ganz, der Kühlschrank fehlt noch, vorher brauchen wir noch eine größere Batterie; der Wassertank fehlt, wir hantieren immer noch mit den zwölf 5-Liter-Kanistern, die uns den Stauraum vollrümpeln; außerdem gab es im Leroy Merlin keine Vorhangschienen, die man hätte an die Biegung des Daches anpassen können. Die Decken aus Asilah harren also noch der Anbringung. Und natürlich der Holzofen, den es noch nicht gibt, für den wir mittlerweile aber genug Vorbilder gesehen haben. Haben extra die Ecke an der Tür für ihn reserviert. Aber sonst ist alles fertig.

Wir haben, was wir seit neun Monaten suchen: Einen Strand, deutsch sprechende Spielkameraden, angenehme Erwachsene. Und in der Tat. Ich kann nicht leugnen, dass ein leises Gefühl von Erholung sich anschleicht.

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