Olivenplantage zwischen Mogente und La Font de la Figuera – Embalse Alfonso XIII

Am nächsten Morgen sehen wir, wie schön es ist wo wir gelandet sind. Olivenfelder ringsumher. Ich gehe meditieren, setze mich auf Tonis Schwimmbrett dazu.

Ich stelle fest, dass der Ort wo wir – vermeintlich fälschlicherweise – von der Autobahn runter sind, derjenige gewesen wäre, an den wir ursprünglich gewollt hatten. Wenn wir nicht wieder rauf wären, wäre uns der Sprit nicht ausgegangen – oder wenn doch, direkt neben der Tankstelle. Und wir wären im richtigen Ort gewesen.

Rast auf einer roten Schotterpiste etwas abseits der Landstraße. Toni und Peppi machen Matsch. Ich lasse Toni in die Pampa kacken, ohne schlechtes Gewissen. Verkohlte Baumstümpfe, das hier war wohl mal eine Feuerstelle. Die Spanier lassen ihr Land dermaßen vermüllen, da kommt es auf ein bisschen Kinderkacka nicht mehr an. Wir müssen einkaufen.

In Calasparra laufen Zombies mit ihren Eltern herum, sie sehen aus, als wären sie auf dem Weg zu einer Schulfeier. Halloween wirft seinen Schatten voraus. Am Ortseingang ist ein Consum ausgeschildert, danach nicht mehr. Wir landen in einer wahnsinnig engen Innenstadt, eigentlich dürften wir hier nicht rein. Eigentlich passen wir hier auch nicht rein. Eine Daumenbreite zwischen Hauswand und Seitenspiegel. Eine schwarzgelockte Dünne starrt uns an. Wir fahren durch eine Horde Männlichkeit, von jung bis alt ist alles dabei und alles starrt uns an. Mein Kopf glüht, dabei sitze ich nur auf dem Beifahrersitz und habe hier gar nichts verbrochen. Ich schaue stur geradeaus. Wir enden in Feldwegen ins Nirgendwo. Es hilft nichts, wir müssen den Weg zurück, den wir gekommen sind.

Mein erster Großeinkauf allein in Spanien. Ich muss dreimal nochmal rein, weil ich was vergessen habe. Hafermilch. Windeln. Volker wieder tapfer mit den beiden im Düdo.

Unser Ziel ist ein Embalse, ein Stausee. Als wir uns links in die Pampa schlagen und der Weg aussieht, als hätten wir ihn sicher für uns allein, hole ich beide Kinder vor zu mir auf den Schoß. Viele Verbotsschilder am Straßenrand. Baden verboten. Alles mögliche andere auch. Die Landschaft ist spektakulär. Berge, plötzlich. Wir fahren und fahren, vermuten irgendwo rechts den Embalse, und da und dort blitzt er auf, türkisgrün. Die Straße führt, wie auf Google Maps gesehen, tatsächlich bis ans Wasser ran und dran entlang, bloß ist es Steilküste, kein Strand. Über die Staumauer drüber, durch zwei Tunnel durch, verlassene Anlagen-Häuschen, und das irrsinnig türkisgrüne Wasser. Überall steht baden verboten. Die Straße muss irgendwo hinführen, denn es kommt uns ein Auto entgegen. Ich schimpfe Volker an, weil er immer weiter fährt, statt zu wenden, was beschlossener Plan ist. Aber keine Stelle gefällt ihm gut genug. Ich motze, sinngemäß: 5 Minuten weiter in diese Richtung bedeuten insgesamt 10 Minuten Zeitverlust, denn wir müssen alles zurück. Peppi bleibt nicht mehr sitzen.

Wir halten an der Informationstafel an dem Schotterweg, der Richtung Embalse führt. Erkunden zu Fuß die Lage. Es ist so verlassen und still, als wären wir in der Einöde, und nicht 7 Kilometer hinter Calasparra. Ich nehme ein Handtuch mit, obwohl überall baden verboten steht. Volker findet’s nicht gut, findet wahrscheinlich es ist so ähnlich wie einen Revolver einstecken, wenn man zur Bank geht. Die erste Bucht ist schilfig. Morastiger Boden, auf dem Fußspuren von einem Riesenvogel eingedrückt sind. Peppi will auch ins Wasser. Volker grummelt. Die Bucht daneben ist ein Volltreffer. Hinter einem kleinen Sandberg gelegen, Steine statt Morast. Offenbar eine Partylocation, Berge von Säufermüll. Von wegen Einöde. Aber man hört dennoch keinen menschlichen Mucks.

Ich gehe mit Peppi ins Wasser, dann mit Toni. Volker sitzt als stummer Vorwurf am Ufer. Ich traue mich nicht, ein paar Schwimmzüge ins Tiefe zu machen, als lauere dort eine Gefahr, vor der die Baden-Verboten-Schilder warnen. Gefährliche Strömungen in einem Stausee? Wohl kaum, aber wer weiß. Auf den Ufersteinen liegen Zigarettenkippen, ich sammle ein paar auf, finde aber immer mehr, die schon im Wasser schwappen. Mache Volker darauf aufmerksam, dass drei badende Menschen das geringste Problem für das Ökosystem dieses Sees darstellen.

Der Genuss des herrliche Erfrischtseins überwiegt den Verdruss durch Volkers Schmollen. Wir fahren mit dem Düdo nicht bis an die Bucht, aus Sorge vor der potentiellen Partyhorde, sondern fahren auf ein Plateau nicht weit von der Straße. Das Fehlen menschlicher Geräuschquellen ist frappierend, aber wir trauen dem Frieden nicht. Die Stille scheint absolut, aber flach, als könnte sie jederzeit gebrochen werden. Wir kommen überein, dass wir es unheimlich finden. Ich schicke Toni Rosmarin pflücken, aber es ist vertrackt im Dunkeln. Alles und nichts scheint Rosmarin zu sein.

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