Petit-Réderching – Abreschviller

Ich liege nachts lange wach, wache früh auf, halb sieben, und beginne endlich dieses Tagebuch. Es ist schon so viel passiert, ich schreibe hektisch. Um halb acht bin ich so müde, dass ich mich wieder hinlege, leider wacht Peppi gerade auf und lässt sich nicht zurück in den Schlaf zitzen. Mein toller Volki steht mit den Kindern auf, damit ich noch schlafen kann. Schlafe bis halb zehn.

Bis wir endlich frühstücken ist es halb zwölf. Frühstück wieder drin, ist ziemlich frisch draußen. Volker hat die abgefahrene Idee, doch noch nach Frankfurt zu fahren. Um nochmal eine Homebase zu haben, ein paar Sachen zu erledigen und damit er arbeiten kann. Er hat ja diese vier verrückten Aufträge, ausgerechnet jetzt. Einer davon vom neuen Kunden, Auswärtiges Amt. Und so wie gerade unsere Tage sind, brauchen wir jede Minute, um den Alltag zu organisieren, es gibt gar keine Zeit für ihn zum Arbeiten. In Frankfurt bräuchten wir uns zumindest um Essen nicht zu kümmern, und nicht um den Düdo, nicht um Fortbewegung.

Wir ziehen die Option in Erwägung, wir Verrückten. Zum Glück entscheiden wir uns dagegen. Sind nicht die Schnecke, die sich doch nochmal in ihr Häuschen zurückzieht. Schon unheimlich, dass unsere einzigen soliden Anlaufstellen, wo wir wirklich mehrere Wochen bleiben könnten, unsere Eltern sind. Wir brauchen durchaus noch einiges: Toni sind die Gummistiefel zu klein, Peppi könnte Schuhe zum leichter Reinschlüpfen gut gebrauchen, seit gestern kapieren wir, wozu diese Windschutzbleche im Outdoor-Bedarf gut sind und wollen so ein Ding, außerdem natürlich muss ein neuer Reifen aufs Reserverad. Aber es wird immer kälter. Und wir wollen doch nach Süden, nicht nach Frankfurt. Der Plan ist, ans Mittelmeer zu kommen, dort doch erst mal auf einen Campingplatz, damit Volker dort arbeiten kann. Wir kommen halt viel langsamer voran als gedacht. Wir sind eigentlich noch gar nicht vorangekommen, sondern bloß nach Frankreich. Wir probieren heute ein bisschen weiter zu kommen.

Aber wir kommen nicht weiter. Wir müssen wieder einkaufen. Heute im Super U. Wieder toll. Ich kaufe mehr, damit es länger reicht. Dauert aber auch länger. Wertvolle Peppi-Schlafenszeit, denn die ist wieder sofort eingeschlafen nachdem wir los sind. Weil es wieder schon so spät war. Aber nicht so spät wie die Tage davor. Es war kurz nach zwei. Jeden Tag schaffen wir es ein bisschen früher. Böblingen: 16:43 (Aber da haben wir auch so lange die Katze gesucht). Betschdorf: 15:30 (Aber da waren die Katzen-Telefonate zu erledigen und ich hatte den Hörsturz-Höhepunkt). Cleebourg: 14:30 (Aber da war auch der Reifenwechsel).

Ich habe keine Münze für den Wagen. Nur ein 2-Euro-Stück. Bräuchte einen Euro oder 50 Cent. Rumgesuche, wertvolle Peppi-Schlafenszeit vergeht. Ich frage eine Frau bei den Einkaufswägen, ob sie wechseln kann, als sie mich anschaut, sehe ich, dass sie leicht schwachsinnig aussieht. Sie sagt: „Non.“ Ich gehe rein, frage an der Kasse, sie schickt mich zum Empfang, ich stammle was von changer, deux Euro, mache die Handbewegung für Einkaufswagen schieben. Die Frau fragt: „Qu’est-ce que vous voulez?“ Endlich kapiert sie: „Chariot!“ Ich hatte das Wort irgendwo auf der Zunge, hab mich aber nicht getraut es auszuspucken, weil ich unsicher war, ob es nicht irgendwas ganz anderes heißt. Swing low, sweet Chariot. Ich kaufe auf Volkers Geheiß hin mehr Gemüse und Obst.

Dann endlich los, Toni schläft auch ein, toll. Wieder total schönes Frankreich. Die Gesichter der Leute wenn wir mit dem Düdo vorbeifahren. Eine tolle Foto-Serie wäre das. Wir merken, dass wir es wieder nicht zu dem Ort schaffen werden, den wir rausgesucht haben, zu weit. Wir biegen ab auf die Alternative, Abreschviller, halbe Strecke. Auf dem Weg dorthin sieht Volker das Logo für Wasser-vom-Wohnmobil ablassen. Es ist eine Schleuse an einem Kanal, kleine Yachten dümpeln im Wasser. Ich muss fragen gehen, ob wir unser Klo leeren dürfen. Der Boots-Mensch steht noch auf einem Schiff und sagt, komme gleich. Immer noch reden alle Franzosen deutsch mit uns. Wir sind also immer noch nicht aus dem Elsass raus, obwohl die Region mittlerweile Moselle heißt. 5 Euro für Abwassertank leeren sagt er. Ich sage, ist nur ein Porta-Potti-Klo, 12 Liter. Okay, 2,50 sagt er und zeigt mir den Ort. Volker macht wieder die Drecksarbeit. Dann ruft er den wichtigen Menschen vom Auswärtigen Amt zurück.

Es gibt auch Duschen. Ich frage nochmal. 30 Cent pro Minute. Super. Erst Toni und ich (3 Minuten) dann Volker und Peppi (4 Minuten) wovon Peppi alle 4 gebraucht hat, der arme Volki dann kalt geduscht aus Angst, dass ich sonst schimpfe. Ihre Ohren sind trotzdem noch trocken. Es ist wahnsinnig schwer sie sauber zu kriegen. Weder duschen noch baden mag sie. Toni und ich hören sie laut weinen beim duschen. Wie schön es ist, frisch geduscht zu sein. Wenn man das jeden Tag hat, würdigt man es überhaupt nicht. Also man merkt die eigene Sauberkeit nicht. Mensch, ich hab im Sommer ja oft mehrmals täglich geduscht.

Sauber und frisch machen wir uns auf die letzte Etappe. Es geht wieder hoch in die Berge. Wenn ich gewusst hätte, dass das wieder eine Bergstation ist, hätte ich den Ort nicht vorgeschlagen. Aber schön ist es. Wilder und zerklüfteter als zuvor. Wir folgen der Wegbeschreibung aus dem Führer, am Fußballplatz vorbei, den Tennisplatz sehen wir nicht, aber egal, es gibt schon Schilder die zur Forellen-Farm weisen, da wollen wir hin. Kommen an einem Badesee vorbei! Hätten uns das Geld für die Dusche sparen können! Quatsch. Dusche war toll.

Die Forellen-Farm liegt wunderschön, Bächlein, hohe Bäume, der Düdo stand noch nie so schön. Ich gehe rein, suche einen Menschen um uns vorzustellen, dem Reglement von France Passion gehorchend. Finde einen Mann. Ich: „Bonjour.“ Er: „Bonsoir.“ Ich: „Bonsoir. Nous sommes des voyageurs France Passion. Nous avons un grand voiture rouge. Nous pouvons nous garer?“ Schäme mich für mein Kleinkindfranzösisch. Er: „Oui, bien sûr.“ Ich: „C’est vrai que nous pouvons utiliser vos toilettes?“ Er: „Oui.“ Ich: Kann es kaum fassen. So nett sind die Menschen. Und die Piktogramme in dem Führer stimmen. Zwei Klos, unabgeschlossen, vor dem Tor, daneben ein Außen-Waschbecken. Was für eine Infrastruktur.

Volker halb verhungert. Hat nicht zu Mittag gegessen. Ich Baguette und Käse im Auto. Er brauchte alle Konzentration fürs Fahren. Ich fange an zu kochen. Geht heute viel schneller, weil windstill. Reis. Und eine super-leckere Soße aus Aubergine, Zwiebel, vier großen Champignons und der restlichen Tomatensauce die seit vorgestern offen ist, zum Glück noch gut. Außerdem: Salat aus der Tüte mit einem Dressing aus Zitrone und Olivenöl. Es schmeckt köstlich. Und ich koche so schnell und effizient wie nie zu Hause, so kommt es mir vor. Sogar die Kinder essen. Sogar das Gemüse. Nur die Pilze picke ich Toni raus. Die Katze schon wieder unternehmungslustig und mutig draußen unterwegs.

Wir stehen unter herrlichsten Sternenhimmel. Ich fühle mich reich und beschenkt. Das Geschenk habe ich mir selbst gemacht mit dieser Reise. So reich, dass das viele Geld, um das man uns gebracht hat, ganz wurscht ist, zum ersten Mal. Toni hat vorhin, Tag vier der Reise, den Satz gesagt auf den wir warten seit sie sprechen kann: „Mama, wann kann ich endlich ins Bettt?“ Sie sagt jetzt immer öfter Mama als Eva, finde ich irgendwie schade, ist aber natürlich ihre Sache.

Auf unserem Dach läuft ein Tier.

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