Santiago do Cacém – Barragem dos Minutos

Volker kriegt den Vormittag, immer noch der Auftrag. Ich bastele mit den Kindern Strandgut-Mobiles im Schatten einer Korkeiche. Man hat den Bäumen die Rinde abgezogen, die Stämme stehen gelb und nackt in der Landschaft. Ein paar Kilometer im Landesinneren ist gleich ein ganz anderes Klima, es ist schon früh am Morgen so warm, dass man sich intuitiv ganz langsam bewegt. Hochsommergeräusche, Grillen, der heiße Wind raschelt in trockenen Gräsern.

Diesmal hole ich den Akkuschrauber, hatte nach dem letzten Mal, als wir am Strand von Murração Plastikdeckel-Mobiles mit allen Kindern gebastelt haben, fast eine Sehnenscheidenentzündung vom Drehen mit dem Handbohrer. Aber für Löchlein in den Muscheln ist der Handbohrer perfekt. Sogar Peppi fädelt ruhig und geduldig Kette nach Kette. Peppi kann ich in Ruhe machen lassen. Aber leider kann ich es nicht lassen, Toni in ihre Kreationen rein zu quatschen. Gebe lauter ungebetene Tipps: Dass sie nach einer kleinen Muschel keinen Deckel aufziehen soll, weil der Deckel sonst die Muschel verdeckt. Dass sie nicht zwei Muscheln hintereinander aufziehen soll, sondern dass es hübscher sei, wenn eine Perle dazwischen komme. Dass sie keine Riesenmuschel in eine Kette fädeln solle, in der sonst nur kleine Schneckenhäuser seien. Ich finde mich selber schlimm, kann aber nicht damit aufhören. Finde unser Material – Muscheln und buntes Plastiktreibgut – so toll, dass ich will, dass ästhetisch anspruchsvolle Sachen daraus entstehen. Könnte man diese Dinger nicht sogar für viel Geld in Berlin verkaufen?

Wir treffen endlich die seit Wochen anstehende Entscheidung über Routen- und Zeitplan. Volkers Eltern sollen uns nicht mehr in Portugal besuchen. Sie könnten erst in zehn Tagen los. Diese zehn Tage wollen wir lieber nutzen, um selber nach Böblingen zu fahren. Wir müssen eh diesen Sommer hin, aus unterschiedlichsten Gründen. Die drängendsten sind, die Uroma zu besuchen, die Steuer für Biotop 3000, und allerhand überflüssigen Krempel abzuladen, zum Beispiel das abgeschnittene Stück Matratze, das seit Ounara auf dem Vogelbett jeden Schlafcomfort zunichte macht. Wir knicken Lissabon und geben Böblingen ins Navi ein. 2284 Kilometer.

Die Landstraße ist in so gutem Zustand, dass wir auf ihr bleiben, statt uns vom Navi auf die mautpflichtige Autobahn locken zu lassen. Sobald die Auffahrt zur Autobahn hinter uns liegt, wird die Straße brutal schlecht, Schlagloch reiht sich an Schlagloch, außerdem geht es unzählige Hügel hinauf und hinab. Bei der nächsten Auffahrt ziehen wir dankbar unser Mautkärtchen, brausen vielleicht 50 Kilometer gen Osten, dann wacht Peppi auf, auch Toni meutert. Der Bezahlautomat an der Ausfahrt spuckt den Zehn-Euro-Schein wieder aus, den Volker ihm in den Schlitz steckt. Der Wind trägt den Schein davon. Ich hüpfe barfuß aus dem Düdo, Volker zeigt: Da, da! Schein gerettet, und überfahren hat mich auch keiner.

Der Stausee erinnert mich an den Cospudener See in Leipzig. Nicht so spektakulär wie die Embalses in Spanien, aber nichtsdestotrotz der perfekte Ort, um den Nachmittag zu verbaden. Peppi zieht brav ihre Schwimmflügelchen an: „Untergegluckert!“

Wir keschern einen fingerlangen, blauschuppigen Fisch, der bewegungslos im Wasser steht. Sind selber überrascht, wie leicht es geht. Der Fisch ist offenbar nicht ganz bei Sinnen. In unserem Eimer kippt er auf die Seite. Wir lassen ihn schnell wieder frei, er verschwindet mit letzter Kraft im Algendickicht.

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