Solignac – Dompierre-sur-Besbre

Der Stellplatz, den wir in der Nacht dank der App gefunden haben, ist wirklich hübsch gelegen, zwischen freundlich gurgelndem Bach und verwaistem Tennisplatz. Das Wasser leider braun und wenig einladend.

Die tägliche Suche nach der Badestelle auf der Strecke führt uns auf einen Privatweg und folgerichtig an die Tore eines privaten Anwesens statt an den See. Wir machen uns im Rückwärtsgang auf den Rückweg, kommen aber nicht weit, weil da jetzt ein Auto aus Richtung Straße kommt. Ich steige aus, versuche der Frau am Steuer zu erklären, wie wir hier her geraten sind. Sie ist ungehalten, behauptet, wir hätten ein Gatter öffnen müssen, um auf den Privatweg zu gelangen. Das kann ich glücklicherweise ausschließen und dementsprechend überzeugend leugnen. Immer noch unfreundlich, befiehlt uns die Frau, wohl die Patronne, wieder den Vorwärtsgang einzulegen, sie werde uns das Tor öffnen, wir sollten das Grundstück überqueren und verschwinden.

Bevor wir uns in der Tourismusstation im Holzhaus am See erkundigen können, wo denn hier eine Badestelle sei, kommt ein schlanker, geschmeidiger Franzose in Uniform an unser Fenster, gratuliert uns zu unserem schönen Düdo und sagt, der dürfe hier nicht sein, Vogelschutzgebiet,  für Kraftfahrzeuge strengstens verboten. Wir erklären, wie wir hier hin geraten sind, der Privatweg, die Tante, das Tor, die Suche nach einer Badestelle. Baden ebenso streng verboten, die Vögel. Wir seien unwissende, gutherzige Leute, und er werde unser Vergehen nicht ahnden, wir sollten jetzt aber zügigst verschwinden, auf Wiedersehen. Oben im Dorf würden Holländer wohnen, die Gästezimmer vermieten würden, da sollten wir doch hin. Wir fragen nicht, warum, sondern versuchen, den Düdo so bescheiden wie möglich aus dem Naturschutzgebiet zu knattern. Die kuriosen Vorstellungen der Leute, wo wir hin sollen.

Wir suchen jetzt einfach irgendwas, einen Platz zum Halten, nichts weiter. Volker muss irgendwen zurückrufen, dringend. Bleiben ausgerechnet vor einer Scheune stehen, deren Besitzer kurz darauf auftaucht und uns weiterbittet, die Zufahrt müsse frei sein. Und tatsächlich kommt ein LKW und will da hin, wo wir sind. Ein Grüppchen Menschen steht im Feld und starrt uns an. Einer stützt sich auf seinen Spaten, die anderen sind aber nicht in Arbeitskluft, sondern städtisch gekleidet – offenbar eher eine Art Begehung. Wer sie sind und was sie tun, bleibt uns verborgen. Unser Auftauchen stellt sie aber offenbar vor ein noch viel größeres Rätsel. Weithin lesbar steht in ihren Gesichtern die Frage geschrieben: Was wollen die hier?

Wir rollen weiter, halten einen halben Kilometer später in einer regulären Parkbucht am Straßenrand. Da biegen von der Hauptstraße her zwei Polizisten auf zwei Motorrädern ein, halten in hundert Metern Entfernung und gucken unauffällig in unsere Richtung. An ihren Hüften baumeln Maschinenpistolen. Wir können uns kaum vorstellen, dass sie wegen uns hier sind, haben aber so recht auch keine andere Erklärung. Sehen wir aus wie Terrorverdächtige? Volker und ich witzeln, aber Toni verkriecht sich vor Angst fast unter dem Tisch. Ich nehme Peppi auf den Arm – seht, wir sind eine harmlose Familie mit Kleinkindern – und schlendere einmal um den Düdo herum. Toni fleht uns an, weiter zu fahren. Aber Volker muss jetzt endlich sein Telefonat führen. Ich versuche Toni davon zu überzeugen, dass uns die Polizisten nichts tun werden. Erfolglos.

Ein Resultat unserer Reise ist, dass Toni, warum auch immer, panische Angst vor der Polizei hat. Dabei haben wir nie unangenehme Begegnungen mit Polizisten gehabt, außer das eine Mal bei Agadir („Démarrez, Madame!“), und da haben die Kinder tief und fest geschlafen. Aber die häufige Unsicherheit – dürfen wir hier stehen oder laufen wir Gefahr, weggeschickt zu werden – hat in Toni einerseits das dringende Verlangen geweckt, sich stets an alle Gesetze zu halten, um auf der sicheren Seite zu sein. Und paradoxerweise eine Angst vor der Polizei, die man eher bei einem Kind vermuten würde, das von seinen Autonomen-Eltern auf den Ersten Mai mitgeschleppt wird. Wir hingegen ja wirklich selber total gesetzestreu (besonders Volker) und große Fans von Staat und Polizei (besonders ich). Die Polizisten wenden ihre Aufmerksamkeit jetzt der Hauptstraße zu. Was wir erst für Maschinenpistolen gehalten haben, sind Geräte, mit denen sie Raser blitzen.

Wir fahren zu einer France-Passion-Station, drei Renterwohnmobile stehen schon da, die zugehörigen Rentner sitzen im Schatten auf dem letzten freien Stellplatz, und machen keine Anstalten, für uns ihre Campingstühle woanders hin zu rücken. Wir parken statt dessen unter einem Baumhaus, in dem sich eine Ferienwohnung befindet, die bald davon von echten Touristen bezogen wird, die unseretwegen woanders parken müssen. Der junge Mitarbeiter sagt zwar „pas de problème“, aber wir fühlen uns unbehaglich. Toni schließt Freundschaft mit einem uralten, struppigen Hündchen von jenem Schwarz, das es unfotografierbar macht. Statt Hündchen nur ein dunkler Fleck auf dem Bild. Wir dürfen duschen, weil wir Käse gekauft haben, abends fahren wir weiter, statt hier zu übernachten. Sind im Vorwärts-Rausch.

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