Tamri – Küste zwischen Tamri und Taghazout

Großeinkauf in Tamri. Einkaufen gehen in einer neuen Stadt ist immer noch eine kleine Mutprobe, aber eine schöne. Ich finde die Marktstraße, es gibt mal wieder fantastisches Gemüse und Obst, noch mal billiger als je zuvor. Ich kaufe doppelt so viel wie sonst, alles ist so knackfrisch, dass es bestimmt gut hält.

Auf dem Weg zum Campingplatz findet Volker so eine tolle Stelle, dass wir beschließen, doch noch eine Nacht frei zu stehen. Eine holprige Piste, an manchen Stellen grenzwertig nah am Abgrund vorbei, führt zu einem schönen Plateau über dem Meer, von der Straße nicht zu sehen, weil gut geschützt von Gesträuch. Volker stellt die schlimme Frage, ob wir es jemals schaffen werden, die Orte an denen wir sind, einfach nur zu genießen. Oder ob immer etwas sein wird, das uns in Beschlag nimmt. So wie jetzt die letzten Änderungen am Blog und die Sorgen wegen der bevorstehenden Katzenrettung. Es ist ein bisschen wie mit Ali: Seit Tagen denken wir, dass wir am nächsten Tag wirklich fertig werden. Und werden es dann doch nicht.

Ganz nah an der Küste schwimmt ein Delfin. Vielleicht auch ein kleiner Wal. Ich sage Hai, aber Volker meint, dass die eine spitzere Rückenflosse hätten. Wir können ihn richtig gut erkennen, besonders wenn er durch eine Welle auf uns zu schwimmt.

Eine riesige Schaf- und Ziegenherde verbringt in unserer Nähe den Nachmittag. Der Hirte ist höchstens zwölf. Er winkt uns zu, sucht aber keinen Kontakt. Die Tiere schon. Peppi hat solche Angst, dass sie in den Düdo will. Es gibt Lämmchen, größere, kleinere, und winzige. Am Abend liegt eines von den winzigen reglos im Staub, die Mutter stubst es mit der Schnauze an und blökt. Ich habe von sterbenden Tierbabys wirklich die Nase voll. Zum Glück rappelt es sich irgendwann auf und stakst der Mutter hinterher.

Am Abend will Volker die letzten Fotos raussuchen, ich die letzten Texte nachtragen. Aber dann kriegt er ein Sandkorn ins Auge und nicht wieder raus. Er spürt das Ding hinter dem Oberlid, offenbar sehr schmerzhaft, und es wird immer schlimmer. Wir googeln „Fremdkörper im Auge“ und überall steht, dass man, wenn man ihn nicht einfach rauskriegt, auf keinen Fall selber rumdoktern, sondern unbedingt zum Augenarzt soll, „sonst droht Erblindung“. Toll.

Wir stehen in einer mondlosen Nacht am Ende einer kraterdurchsetzten Piste, die am Rand einer Steilküste entlangführt, und ich saß seit Monaten nicht am Steuer des Düdo, weil sich irgendwie von Anfang an etabliert hat, dass Volker immer fährt. Wenigstens ein Bereich in unserem Leben, in dem wir uns an die klassische Rollenverteilung halten. Das haben wir jetzt davon. Dass Agadir nur 50 Kilometer entfernt ist, hilft da wenig.

Wir starten einen letzten Versuch, Volker klappt sein Oberlid, einem Youtube-Tutorial folgend, mit einem Wattestäbchen nach oben, und ich tupfe mit einem Zipfel nassem Klopapier ein winziges, winziges schwarzes Körnchen von der empfindlichen, roten Haut. Ich kann kaum glauben, dass es das gewesen sein soll, aber offenbar ist es so. Volker sagt, dass es jetzt besser sei.

Der medizinische Notfall hat unseren ganzen Abend aufgefressen, wir konnten nicht arbeiten, und verschieben daher den Blog-Launch um einen weiteren Tag. Die Katzenrettung demzufolge auch.

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