Tata – Wasserfälle hinter Tissint

Zwei große Programmpunkte heute: Einkaufen und Ölwechsel.

Erster Stopp beim Schmalzkringelmann. Er schläft in seinem Geschäft. Ich warte dezent, dann rufe ich, er wacht auf, und frittiert mir meine zehn Kringel. Ich kaufe auch noch ein halbes Kilo von dem honigtriefenden Sesamgebäck.

Volker parkt in der Stadt, ich ziehe los. Meine nächste Mission: Den blauen Plastikanzug umtauschen. Ich denke erst, ich finde den Laden nicht wieder, dann finde ich ihn doch, aber es ist ein anderer Mann drin. Er glaubt mir trotzdem, dass ich den Anzug hier gekauft habe. Dabei gibt es diese Anzüge hier überall. Er will mir einen neuen Anzug geben, ich will aber ja keinen neuen, der würde bestimmt genauso schnell reißen, die Qualität ist einfach grottig. Ich will am liebsten das Geld, aber er sagt, dass er kein Geld da hat.

Ich sage, dass ich dann etwas anderes haben will, er hat auch Stoffe, er ist einverstanden. Sie sind alle aus Synthetik, aber was soll’s. Es gibt hier in Tata keine Touri-Läden, sondern Bedarf für die Einheimischen. Und die tragen offenbar ausschließlich Synthetik. Er fragt mich, was ich für den Anzug gezahlt habe, ich antworte wahrheitsgemäß. Er sagt, dass der Stoff 10 Dirham mehr kostet. Ich sage, dass ich eigentlich den Stoff gar nicht haben möchte, und vor allem nicht noch mehr Geld ausgeben will, sondern nur irgendetwas für den Anzug haben will, frage ihn, was in seinem Laden denn dem Wert des Anzugs entsprechen würde. Er versteht mich nicht, es wird kompliziert, aber irgendwie auch lustig, weil die Stimmung freundlich bleibt. Irgendwann sagt er, dass ich den Stoff haben kann. Ich gehe, mit dem Stoff, und hoffe dass ich ihm jetzt kein schlimmes Loch in die prekären Geschäftskonten gerissen habe.

Ich bleibe mit den Kindern hinten auf dem Bett sitzen, während Volker zur Tankstelle fährt. Ist nicht weit. Vor uns ist noch ein Auto dran, das gewaschen wird, dann dürfen wir in die Garage fahren. Eigentlich war der Plan, dass ich mit den Kindern esse, während Volker den Ölwechsel beaufsichtigt – mal wieder völlig weltfremd. Natürlich wollen beide Kinder aussteigen und zugucken, außerdem müssen wir unseren großen 32er-Schlüssel vorkramen. Denn der Mechaniker hat keinen.

Einerseits spricht das womöglich nicht für die Werkstatt, andererseits ist es ja auch keine Werkstatt, sondern nur eine Tankstelle. Und wir freuen uns, dass der Schlüssel zum Einsatz kommt, denn die einzige Schraube, für die wir den Schlüssel auf Tonios Rat hin gekauft haben, ist die Ölablass-Schraube. Wir dachten, wir brauchen sie nur, wenn wir den Ölwechsel selbst machen würden, aber siehe da, wir brauchen ihn obwohl wir ihn machen lassen.

Der Mechaniker ist sehr freundlich, spricht kaum französisch und hat offenbar zumindest bei einem Düdo noch nie den Ölfilter gewechselt. Fragt Volker, wo der Kupfer-Ring hinkommt, Volker weiß es nicht, ich sehe in meinen Aufzeichnungen nach, habe mir nur aufgeschrieben, dass er für die Schraube ist, aber wo genau er hin muss, weiß ich nicht mehr. Der Mechaniker hat auch keinen Schlüssel für die kleinere Schraube am Ölfilter-Gehäuse, wir rumpeln also unseren ganzen Werkzeugkoffer hervor. Als er das Gehäuse mit einem Stück Zeitung auswischt, ruft Volker, dass ich schnell einen Lappen bringen soll.

Toni hockt sich mit ihrem kurzen Röckchen neben die Männer, Volker sagt, dass sie den Rock zwischen ihre Beine machen soll, damit man den Schlüppi nicht sieht. Wir würden sie ja gern dem Land angemessener kleiden, aber Toni ist so eigen in Kleidungsfragen, dass wir da fast nicht mehr mitreden können. Peppi schmeißt ihren Schnuller auf den öligen Werkstattboden.

Es ist fast vier als wir Tata verlassen. Unser Ziel ist ein weiterer Tipp von Basti, aber wir haben diesmal auch die GPS-Koordinaten. Zum Glück, denn ich weiß nicht, ob wir es nach der Beschreibung gefunden hätten. Es liegt nicht 2 Kilometer vor, sondern 11 Kilometer hinter Tissint. Da steht das Steinhäuschen, auf das wir zuhalten sollen, und dahinter ist das Flussbett, in dem es, anders als sonst, tatsächlich fließt.

Das Wasser sprudelt über Felsstufen hinab, sammelt sich in einem großen Becken und sprudelt dann weiter, ins nächste Becken. Rund herum ist alles mit einer weißen Kruste überzogen, das Wasser ist offenbar salzig, und offenbar war dieser Fluss unlängst noch breiter. Es wachsen Gräser, es springen Fischlein, es tummeln sich Moskitos – und links und rechts von dem morastigen Salzlandschaftsstreifen die übliche Geröllwüste. Da, wo das Wasser zwischen den Felsen durch muss, tost es richtig, so stark ist der Schwall. Welch Überfluss mitten in der Wüste!

Die Kinder fangen gleich an zu spielen, besonders Toni ist in ihrem Element, die alte Wasserratte. Beide sind ja richtig stark erkältet, Peppi ist schon auf dem Weg zur Gesundung, aber Toni sah den ganzen Tag ganz elend aus mit kleinen, verquollenen Äuglein. Und jetzt stapft sie fröhlich und stark im Wasser umher, die Sonne geht unter, sie ruft, dass das Wasser ganz warm sei! Naja, es ist zwar den ganzen Tag als flacher Bach durch die brutzelnde Sonne geflossen, aber warm war die heiße Quelle, nicht das hier. Die Hose hat sie zum Glück ausgezogen, der Rock ist schon nass, zum Schluss setzt sie sich mitten auf einen Stein, der vom Wasser überspült wird. Schlüppiwaschanlage, sozusagen.

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