Trouillas – Argelès-sur-Mer

Ich hatte auf eine Weinprobe gehofft, trotz meiner Trauer um Mareen, aber die Winzerin stellt mir nur die Flaschen hin und bietet mir nichts an. Auch gut. Unsere nächste Mission: Der Reifen. Seit Cleebourg hängt unser Reserverad ohne Luft unterm Düdo in der Reserveradhalterung. Seit Cleebourg ist der Reserverad-Wechsel auf der Todo-Liste. Ich frage die Winzerin nach einer Landmaschinenwerkstatt, sie sagt mir eine Reifen-Werkstatt, ruft gleich für uns an, bis zwei ist Mittagspause, dann sollen wir hin.

Wir sehen gleich die fantastischen Paletten.

Es gibt einen Mann, der das Kommando hat und einen anderen, der ausführt. Ich spreche nur mit dem, der das Kommando hat. Er sagt, dass wir den Ersatzreifen, der unter dem Düdo hängt, losmachen sollen. Ich sage, dass wir nicht das richtige Werkzeug dafür haben. Er, ungläubig, etwas später: Ihr habt keinen Schlüssel dafür?? Ich verstehe nicht gleich, dann fasele ich, in etwa: Doch, haben wir, aber wir waren nicht stark genug und das Kreuz, das eigentlich dafür gedacht ist, haben wir unglücklicherweise hinter unserem Gaskasten eingemauert. Ich glaube nicht, dass er mich versteht, wie auch.

Derjenige, der ausführt, kriecht unter den Düdo. Kurz darauf kommt er wieder vor und holt den Pressluft-Akku-Schrauber. Mit reiner Muskelkraft kriegt er die Schrauben von der Reserveradhalterung auch nicht auf. Ich habe den Eindruck, dass der, der das Kommando hat, rückwirkend das Problem erkennt, von dem ich gefaselt habe. Der, der ausführt, hat den Reifen abgekriegt und pumpt ihn in der Werkstatt auf. Ich lungere in der Nähe herum, frage den, der das Kommando hat, ob man reparieren kann oder austauschen muss. Er sagt, sinngemäß: Gemach, er kommt jetzt erst mal ins Wasserbad, dann wissen wir mehr. Ich, sinngemäß: Ach was, wie beim Fahrrad. Er spendiert mir einen Plastikbecher-Kaffee aus dem Automat. Das Wasserbad-Orakel spricht: Der Reifen ist heile, das Ventil war bloß nicht festgeschraubt. Ich springe kurz in den Düdo, wo Volker die Kinder beschäftigt, verkünde die freudige, peinliche Nachricht. Katharina springt raus. Ich frage den, der das Kommando hat, was ich ihm schulde. Er sagt: Nichts, nur ein Trinkgeld für den, der ausführt. Ich kann es kaum fassen, zücke zehn Euro, der der das Kommando hat, nickt wohlwollend.

Wir haben längst einen noch viel größeren Palettenhaufen ausgemacht, der eindeutig nach Sperrmüll aussieht. Ich fasse mir ein Herz, frage den, der das Kommando hat eine letzte Frage, nämlich: Ob die zum Wegwerfen seien, ob wir was davon nehmen dürften, wir würden Möbel daraus machen. Der, der das Kommando hat guckt etwas fassungslos, und sagt, sinngemäß: Nehmt Euch.

Jetzt sind alle draußen, Katze, Kinder, Volker und ich, wir wählen die besten aus, die natürlich zuunterst liegen, Volker schichtet die Stapel um, ich dirigiere, mit Peppi auf dem Arm, überrede ihn, noch und noch eine mehr zu nehmen. Ein neuer LKW kommt, will bestimmt auch zur Werkstatt, wir versperren den Weg, wir springen in den Düdo und fahren ein paar Meter weiter. Vor lauter Paletten kann man sich im Innenraum kaum noch bewegen. Wir zurren die Dinger fest und wollen los. Aber die Katze ist nicht da.

Wir klappern mit den Brekkies. Nix. Rufen. Nix. Rascheln mit den extra leckeren Fleischstangen. Nix. Die beiden Männer aus der Werkstatt beobachten uns. Volker fragt: „Wo war sie zuletzt?“ Ich habe sie zuletzt bei den Palettenhaufen gesehen. Also dorthin, klappern, rufen, rascheln. Nix. Da wo wir jetzt stehen, liegt eine super erhaltene, wunderschöne Palette, auf der mehrere Metallstangen zum Verkauf drapiert sind. Ich überrede Volker, sie schnell und heimlich gegen eine von den ollen, die schon im Düdo sind, auszutauschen. Er macht es, fluchend. Ich suche die Katze. Klappernd und rufend. Irgendwann kommt der, der das Kommando hat und sagt, dass die Katze im Düdo sei. Tatsächlich. Sie sitzt unter dem Bett. Die Leute müssen uns für unzurechnungsfähig halten. Wir knallen die Türen zu und hauen ab.

Der Plan: Wieder auf den Roussillonais, Paletten-Möbel bauen. Wir müssen eh die Zeit überbrücken bis Celina kommt. Die alleinerziehende Frau in den Bergen hinter Tarragona, bei der wir workawayen wollten, hat sich nicht mehr gemeldet. Es fängt an zu regnen. Wir kennen die Gegend zwischen Perpignan und Argelès mittlerweile ganz gut. Ich überschätze unsere Ortskenntnis und füttere das Navi nicht mit der genauen Adresse vom Campingplatz. Wir gurken auf seltsamen Straßen hin, aber sobald wir in Argelès Plage sind, wissen wir natürlich den Weg. Die Straße kurz vor der Einfahrt zum Campingplatz ist überschwemmt. Wo vorher der Parkplatz war, auf dem wir am allerersten Tag geparkt haben, um uns den Platz anzuschauen, ist jetzt Meer. Ein rotweißes Flatterband bewahrt die Wohnmobile davor, ins Wasser zu fahren. Hätten wir eh nicht gewagt. Es sieht richtig tief aus. Was nun. Ein Mann kommt an die Scheibe und sagt, dass es einen Hintereingang zum Campingplatz gibt. Wir kurven hin, zum Glück kennen wir uns in Argelès so gut aus. Tatsächlich, unbewachter Hintereingang, offen. Wir stellen uns diesmal ganz an den Zaun. Es ist leerer geworden. Das Wasser kommt bis fast an die Dünen. Die Wellen türmen sich meterhoch, tosen, gischten, die ganze Luft ist weiß. Es riecht nach Nordsee. Ich habe Angst um die Kinder, die am Strand toben, denke an Mareen.

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